Florian Lutz, Regisseur

NaturNotizen

von 100 Schülern der Frankfurter IGS-Nordend

Kontakt
Biografie

2014
Tannhäuser
Theater Lübeck
Liebeswahn
Händelfestspiele Halle
Médée
Theater Bielefeld

2013
Nocturno
Theater Bonn, Bundeskunsthalle
Die Dummheit
Theater Regensburg

2012
Norma
Theater Bonn
NaturNotizen
Frankfurt LAB

2011
Così fan tutte
Anhaltisches Theater Dessau
Hoffmanns Erzählungen
HAU1 Berlin

2010
Carmen
Theater Bonn
playZero
Festspielhaus St. Pölten
Lucia di Lammermoor
Staatstheater Braunschweig

2009
Die arabische Nacht
Oper Halle
Des Landes verwiesen
Theater Bonn
Helges Leben
Theater Bielefeld

2008
Lohengrin
Bühnen der Stadt Gera

2007
Strangers
HAU 1 Berlin

2006
Orfeo ed Euridice
Bühnen der Stadt Gera

2005
Gelegenheit macht Diebe
Saalbau Neukölln Berlin
Die gelbe Prinzessin
Neuköllner Oper Berlin

2003
Die kahle Sängerin
Theaterhaus Köln

Premiere am 10. Mai 2012 im Frankfurt LAB
Ein Education-Projekt der ALTANA-Kulturstiftung in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern, der Forsythe Company, dem Schauspiel Frankfurt und der IGS Nordend
Ausstattung: Petra Strass
Fotos
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Die Sehnsucht der Meerjungfrau 
Gezeiten und Gefühle rauschen in dieser Welt gleichermaßen. Ein Jahr lang haben 100 Schüler der IGS Nordend mit dem Ensemble Modern, der Forsythe Company und dem Schauspiel ein Gesamtkunstwerk entwickelt. Von Matthias Trautsch Das Meer ist alles, sagt Kapitän Nemo. Es ist nur ein Behälter für die ungeheuren, übernatürlichen Dinge, die darin existieren; es ist nicht nur Bewegung und Liebe; es ist die lebende Unendlichkeit, heißt es in Jules Vernes Roman. Wie ein blinder Passagier an einem Bullauge der „Nautilus" fühlt sich der Zuschauer im Frankfurt LAB. Ein zerbrochenes Schiffswrack ruht auf dem Meeresgrund der Bühne, die Musik des Orchesters flirret hinter einem dunklen Vorhand hervor, über die blau schimmernde Bühne schwirrt das Ballett der Fische. Vielleicht gibt es sie doch, die Schwarmintelligenz. ...
Was auf der Bühne des Frankfurt LAB wie eine Aneinanderreihung maritimer Assoziationen beginnt, verdichtet sich zu einem Spiel mit Hans Christian Andersens Märchen von der kleinen Meerjungfrau.
Unter der Regie von Florian Lutz führen die Schüler eine Art Musical an der Grenze von Unter- und Überwasserwelt auf. Und auch emotional werden Grenzen überschritten: an großen Gefühlen, an Liebe, Sehnsucht und Trauer mangelt es diesen Meereswesen nicht. Immer wenn es droht, kitschig zu werden, naht der ironische Bruch in Gestalt des allzu smarten Showmasters. „Wir können auch anders!“, ruft er aus und interpretiert das Schicksal der Meerjungfrau, die sich in einen menschlichen Prinzen verliebt und für ihn Existenz und Seele aufs Spiel gesetzt, als gleichermaßen unterseeischen wie unterirdischen Talentwettbewerb. Doch letztlich muss sein Ruf, doch bitte die 0137-Nummer zu wählen, im Rauschen von Gezeiten und Gefühlen verstummen. ...
Rainer Rollmann vom Ensemble Modern greift das Bild des offenen Raumes auf. In einem solchen habe das Vorhaben seinen Ausgang genommen, und „wenn die Schüler mit einem gewissen Abstand den ganzen Bogen betrachten, können sie vielleicht verstehen, wie etwas abgesehen von vorgegebenen Inhalten entstehen kann“ ... Die Jugendlichen hätten selbst etwas ersonnen, gemacht und aufgeführt. Entstanden sei so das „Bild einer Generation, das sich in der Wasserwelt widerspiegelt“.

Schüler stehen im Rampenlicht
Für ihre Märchenaufführung haben 100 Jugendliche ein Jahr lang mit Profis trainiert
Ein Jahr lang haben 100 Schüler der IGS Nordend mit dem Altana-Kulturprojekt "Naturnotizen" ihr eigenes Kunstmärchen "Die kleine Seejungfrau" entwickelt.
Gallus. Perfektes Bühnenbild, perfekter Auftritt:
Wie durch einen blauen Schleier ist ein Schiffswrack hinter dem Vorhang zu erkennen, um das eine Gruppe junger Meernixen zu märchenhaften Klängen herumschwebt. Gerade will der Zuschauer in die mystischen Tiefen des Ozeans hinabtauchen, als ihm der Vorhang weggezogen wird und Cosmo Gensheimer (14) im grellen Scheinwerferlicht die Bühne betritt. Er kann sich vor Applaus kaum retten: "Willkommen zu einer neuen Folge von ,Das Meervolk sucht den Superstar!´." Kurz darauf haben Kraken-Herbert und Olaf, der Kugelfisch, ihren Auftritt, ehe Lina Kerkath (14) als kleine Seejungfrau im Prinzessinnenwagen angerollt kommt und ein mitreißendes Lied von den wahren Gefühlen des Herzens singt.
Ministerium legt nach
Es sind mal lustige und mal ernsthafte Überraschungseffekte, von denen das Kunstmärchen "Die kleine Seejungfrau" des achten Jahrgangs der IGS Nordend lebt – gerade in einer Zeit, in der viele die originale Vorlage nicht mehr lesen und eher einen offenen und anregenden Umgang mit dem Stoff erwarten. "Gerade dann ist der Wechsel zwischen Drama, Musical und Fernsehshow passend", findet Angela Federspiel, Referentin für kulturelle Bildung im Hessischen Kultusministerium. Die IGS Nordend ist die vierte Frankfurter Schule, die sich dem Altana-Kulturprojekt angeschlossen hat und ihre Schüler in die Natur, ins Museum und schließlich in den Werkraum führt: Literatur, Kunst, Musik, Tanz – und am Ende ein Stück, das unter Anleitung der William Forsythe Company des Ensembles Modern ein Potpourri eines ganzen Schuljahrgangs zeigt. Damit die Schulen längerfristig teilnehmen, stellt das Kultusministerium nun sogar einige Lehrerstunden für einen Koordinator zur Verfügung.
Die IGS Nordend startete ihr Projekt zum Beginn des Schuljahres mit dem Themenschwerpunkt Wasser. Klar, die meisten Schüler haben von Anfang an begeistert mitgemacht – nur einer lässt im einleitenden Video durchblicken, das Tanzen sei nicht so sein Ding gewesen: "Fast wäre ich lieber wieder in den Unterricht gegangen." Doch jeden Donnerstag investierten die Schüler einige Stunden Zeit, um zu malen, basteln, schreiben und auf dem Parkett zu agieren. Der freie Autor Matthias Göritz führte sie an passende Stücke zum lebensspendenden Nass heran. Und dann war sie da, die Idee zur kleinen Seejungfrau. Was die Schulleiterin Konstanze Schneider nur allzu natürlich findet: "Gerade in der Pubertät lassen sich die Schüler auf einer Woge ihrer Gefühle tragen, erleben die Liebe und die Unsicherheit, wie es nach Schule und Ausbildung weitergeht."
Müllinseln im Meer
Die Unsicherheit, ob die kleine Nixe ihren Prinzen findet, zieht sich als roter Faden durch die Aufführung. Während Sophie Hofmann (14) bei Dichtern wie Hans-Christian Andersen oder Friedrich Schiller Anregungen für ihre gelesenen Passagen über die Sehnsucht nach Sonnenaufgang und Vogelzwitschern fand, ging Cosmo einen anderen Weg über DSDS: "Wir sind Jugendliche, wir gucken doch solche Shows, um uns zu amüsieren." Doch dann ist Schluss mit lustig, denn der Moderator wird mitten im Stück von einer Aktivistin gestört: "Überall im Meer entstehen künstliche Inseln aus Müll, während die Fische sterben!" Nun verwandelt sich die effektvoll-romantische Strömung in giftige Abwässer.
Im zweiten und dritten Akt tritt die Meerhexe in Erscheinung, die Seejungfrau muss erkennen, dass sie nur an Land eine Seele hat und nicht wie Schaum vergeht. Doch bekanntlich glaubt sich der Prinz von einer anderen Prinzessin gerettet, die er prompt heiratet. Düstere Schiffe gleiten als Schatten über die Bühne, ein Dolch wird gezückt. Dann stürmt Cosmo herbei, erfindet sich nun als Regisseur: "Halt, halt, wir haben noch etwas anderes parat", ruft er. "Action!" Jeder, so scheint es, darf sich seinen Schluss selbst aussuchen. Ein Happy End ist zumindest möglich.
Übrigens: Die Seejungfrau muss ihre Stimme opfern. Eine IGS-Schülerin hat dafür ihre Stimme gefunden: "Seit dem Altana-Projekt traue ich mich endlich, im Unterricht mehr zu sagen, habe keine Angst mehr, ausgelacht zu werden", erzählt sie im Video. "Wir machen doch alle Fehler."