Florian Lutz, Regisseur

Des Landes verwiesen

von Juan Allende-Blín

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Biografie

2014
Tannhäuser
Theater Lübeck
Liebeswahn
Händelfestspiele Halle
Médée
Theater Bielefeld

2013
Nocturno
Theater Bonn, Bundeskunsthalle
Die Dummheit
Theater Regensburg

2012
Norma
Theater Bonn
NaturNotizen
Frankfurt LAB

2011
Così fan tutte
Anhaltisches Theater Dessau
Hoffmanns Erzählungen
HAU1 Berlin

2010
Carmen
Theater Bonn
playZero
Festspielhaus St. Pölten
Lucia di Lammermoor
Staatstheater Braunschweig

2009
Die arabische Nacht
Oper Halle
Des Landes verwiesen
Theater Bonn
Helges Leben
Theater Bielefeld

2008
Lohengrin
Bühnen der Stadt Gera

2007
Strangers
HAU 1 Berlin

2006
Orfeo ed Euridice
Bühnen der Stadt Gera

2005
Gelegenheit macht Diebe
Saalbau Neukölln Berlin
Die gelbe Prinzessin
Neuköllner Oper Berlin

2003
Die kahle Sängerin
Theaterhaus Köln

Premiere am 22. März 2009 am Theater Bonn, Alter Malersaal
Musikalische Leitung: Christopher Sprenger
Regie: Florian Lutz
Ausstattung: Andrea Kannapee
Video: Michael Deeg
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„Eine gelungene, eine wunderschöne Produktion ist zu begrüßen, die man getrost als Wiederentdeckung, als Beheimatung des politischen Theaters der 70er-Jahre in der Unwirtlichkeit des dritten Milleniums ansprechen darf. Was geboten wird? Kein Agitprop, keine Zuschauerbeschimpfung. Nichts Halbwüchsiges, keine Klischees. Stattdessen ein faszinierendes Spiel auf verschiedenen Ebenen, ein Spiel mit allen Ebenen. Modernes Musiktheater. Theater für Erwachsene und solche, die es werden wollen.
(...)
Regisseur Florian Lutz und seine kongeniale Ausstatterin Andrea Kannapee haben sich ans Collageprinzip des Komponisten gehalten, haben bei moderater Umstellung der Szenenfolge im scheinbar Unverbundenen eine raffinierte Zahnradmechanik freigelegt. Alles fängt scheinbar harmlos an. Ein Abendbrottisch. Man isst, man trinkt, man schwätzt. So lang, bis in Gestalt einer nach guter Straßenmusikanten-Manier bettelnden Flötistin (Mariska van der Sande) die Gegenwelt Einlass begehrt. Von da ab nimmt das Stück Fahrt auf, dreht sich hinein in einen Strudel aus verunsicherter Gegenwart und drängender Erinnerung an eine Vorvergangenheit, bis ein dramaturgischer Clou (der hier aus Spannungsgründen keinesfalls verraten werden darf) alles noch einmal umkrempelt und neu sortiert. Nicht versäumen.“

„Die Stärke von Florian Lutz‘ Inszenierung des Musiktheaters „Des Landes verwiesen“ von dem 1928 in Santiago de Chile geborenen, heute in Deutschland lebenden Komponisten Juan Allende-Blin und dem Librettisten Jean Pierre Faye liegt darin, dass sie so geschickt mit unserer historischen Distanz zum Stück umgeht.
(...)
Lutz zeigt uns in seinen Rotwein-Intellektuellen deren heutige Wohlstandsnachfolger, die immer mal wieder in die Rollen und Kleider ihrer Vorgänger schlüpfen. Und dieser Vergleich fällt – abgesehen davon, dass Gott sei dank die Zeiten von Mord und Verfolgung in Deutschland vorüber sind – für die Nachfolger nicht unbedingt schmeichelhaft aus. Gleichwohl hat Lutz den Ehrgeiz, einen politischen Impuls zu geben.
...eine starke kleine, vom Fonds neues Musiktheater des Kultursekretariats NRW geförderte Produktion, die – in Andrea Kannapees sparsamer, aber atmosphärischer Ausstattung – intelligent mit der Offenheit der Theaterform spielt. (...) Viel Beifall.“

„Die realen Schicksale der drei Dichter und Denker werden nur lose nacherzählt, in der Hauptsache verwirren die zahlreichen Handlungs- und Textfäden das Publikum. Es gibt Tonbandcollagen von Begräbnissen, Hochpoetisches von Pablo Neruda und Federico Garcia Lorca und jede Menge globalkommunistisches Vokabular. Allende-Blins Musik changiert zwischen trübsinnigen Kantilenen, langen Liegetönen und eruptiven Ausbrüchen einzelner Instrumente.
Wirkliches Musiktheater ist das Ganze nicht, vielmehr eine ziemlich spröde Collage. Was im Nachklapp der 68er noch als sperriges Antitheater funktioniert haben mochte, scheint heute völlig obsolet und uninszenierbar.
In Bonn ist der junge Regisseur Florian Lutz sehr klug mit den dramaturgischen Tücken umgegangen. Zunächst zeigt Lutz, wie die 68er Musiktheater machten: Es wird im ersten Teil des Abends reichlich agitiert, man wird regelrecht verprügelt von kommunistischen Kampfparolen.
(...) Nach so viel Tristesse gibt es plötzlich Wein für alle, die Zuschauer sind eingeladen, auf die Bühne zu kommen und sich auf die Bruchstücke der gerade eingestürzten Mauer zu setzen. Ganz nah rücken nun Musik und Text, die Bühne wird zum Partizipationsraum. Durch die unerwartete, sehr nahe Gemeinschaft mit den toten Dichtern und den lebenden Akteuren bekommt der Abend eine neue Qualität - und sogar das vorher so schablonenhaft Trockene wirkt im Licht des schweren Rotweins auf einmal fast schon luzide.
Das Publikum zeigte sich am Ende regelrecht enthusiasmiert. Der fulminante Pianist Tobias Engeli und die Flötistin Mariska van der Sande erweckten die sperrige Materie zu Leben und auch das vorwiegend junge Sänger-Schauspieler-Ensemble überzeugte.“

„In der Bonner Wiederaufführung nach nun 31 Jahren in der dem Neuen Musiktheater gewidmeten Reihe „Bonn Chance!“ bringt Regisseur Florian Lutz eine überzeugend funktionale Erzählstruktur in das Stück. (...) Das bei der Vorstellung so gut wie ausverkaufte Haus reagierte entsprechend ausgesprochen positiv auf das seltene Werk. Langer Beifall und Ovationen für das gesamte Ensemble. “

Bonner General-Anzeiger, Mathias Nofze, 24. März 2009
„Nicht die Arbeiter!, fleht ein verzweifelter Erich Mühsam. Gerade hatte er auf eine Mauer aus weißen Steinen Schlüsselbegriffe des Marxismus geschrieben und wortreich den Bogen von der verhängnisvollen Wirkung des Eigentums zum Staat als Unterdrückungsapparat geschlagen. Und dann beginnt jemand, die Schlagworte herauszuziehen.
Als auch der Stein mit der Aufschrift „Arbeiter" entfernt wird, stürzt die Mauer, sprich: das kommunistische System, mit großem Getöse zusammen. Doch der „revolutionäre Internationalist" lässt sich nicht entmutigen und beschwört in einer flammenden Rede ans Publikum im Alten Malersaal die Anarchie als „Verbundenheit Gleicher in Freiheit". Hinter ihm werden derweil aus den Mauerelementen Sitzreihen gebaut. An dieser Stelle, etwa nach zwei Dritteln des Abends, wird das Stück „Des Landes verwiesen", vom Komponisten Juan Allende-Blin ganz schlicht „konzertante und szenische Aktionen" genannt, zur Mitmach-Oper. Erich Mühsam, gespielt von Roland Silbernagl, lädt die Zuschauer ein, der Anarchie bei einem Glas Wein auf der Spielfläche die Treue zu halten: „Kommt, macht mit!". Erst zögerlich, dann willig begeben sich die Rezipienten nach unten. Fortan sind die Aktionsflächen vertauscht. Vielleicht auch die Rollen?

Insgesamt macht Florian Lutz aus den szenischen Aktionen ein sehenswertes, kraftvolles Theaterereignis, eine spannende, unterhaltsame, aber auch beklemmende Doku-Fiktion, die mit einer düsteren, satirischen Begräbnisszene endet. Ins Hintertreffen gerät bisweilen allerdings die überaus feinsinnige, subtil ausgehörte Musik, die durch die Vorherrschaft der Aktion und des Visuellen in die Rolle der Dienerin gedrängt wird.
Musikalisch lässt der Abend nichts zu wünschen übrig. Anjara I. Bartz und Mark Rosenthal bieten stimmlich und darstellerisch Vortreffliches, ebenso packend agieren Birte Schrein und Roland Silbernagl. Mitglieder des Beethoven Orchesters sorgen unter der kundigen Leitung von Christoph Sprenger für eine wunderbar nuancierte Interpretation.“

„In Bonn ist der junge Regisseur Florian Lutz klug mit den dramaturgischen Tücken umgegangen. Zunächst zeigt Lutz mit knalligem Agitprop-Szenen, wie die 68er Musiktheater machten. Auf der Bühne treffen sich aber auch zwei Männer und zwei Frauen zu einem Diner, in dessen Verlauf die Darsteller immer wieder kurz in die Rollen der Dichter schlüpfen. Vorwiegend bedeutungsschwanger und düster zieht sich das Geschehen eine Zeit lang dahin. Plötzlich: Wein für alle. Die Zuschauer können auf die Bühne zu kommen und sich auf die Bruchstücke der gerade eingestürzten Mauer setzen. Ganz nah rücken nun Musik und Text, die Bühne wird zum Partizipationsraum. Durch die unerwartete, sehr nahe Gemeinschaft bekommt der Abend eine neue Qualität.
Das Publikum zeigte sich am Ende regelrecht enthusiasmiert. Aus dem Agit propstück wurde fast schon a schöne Leich.“